Ückück und das Fediverse: Was passiert, wenn die Administration weg ist?

Ückück und das Fediverse: Was passiert, wenn die Administration weg ist?

Reden wir nicht lang herum, das hier ist der vorerst letzte Beitrag meiner Kolumne. Passend dazu geht es in diesem Artikel ebenfalls um Abschiede.>

Titelbild: Eine in Grün gefärbte Person, die auf dem Fahrrad eine Straße entlang fährt. Darüber in Orange der Satz: Macht’s gut und danke für den Fisch!

Hörversion des Artikels (9 min 36 s)

Ob Zeit- oder Geldmangel, Stress im Team, Konflikte von außerhalb oder etwas ganz anderes: Es gibt viele Gründe, sich von der Arbeit an einem Projekt zurückzuziehen. Auch, wenn es dabei um die Unterhaltung von Fediverse-Servern geht.

Was individuell sehr nachvollziehbar ist, wirft jedoch beim Betrieb öffentlicher Infrastruktur viele Fragen, vor allem bei den Nutzenden, auf. Was passiert, wenn die Menschen, die sich um die Administration und Moderation von Fediverse-Servern kümmern, ihre Arbeit niederlegen?

Wechsel im Team

Viele öffentliche Server halten sich an die Selbstverpflichtung, dass die Teams aus mindestens zwei Personen bestehen sollten, die die administrativen Aufgaben übernehmen können. Dieses “personelle Backup” ist zum Beispiel eine der Voraussetzungen, um auf den bekannten “Join-Seiten” einiger Dienste gelistet zu werden, wie beispielsweise auf joinmastodon oder joinpeertube. Auch umfassen die meisten Moderations-Teams der Server mindestens zwei Personen, weshalb der Weggang einer einzelnen Person für das Team oft noch zumindest für eine gewisse Zeit verkraftbar ist.

Allerdings ist es gar nicht so einfach, neue Team-Mitglieder zu finden. Viele Server sind Freizeit-Projekte, ohne einen Verein oder gar eine finanzielle Absicherung im Hintergrund. Auch braucht es eine gewisse Portion Idealismus, die Arbeit und Verantwortung für den Betrieb eines solchen Servers zu übernehmen. Nicht zuletzt wünschen sich viele, dass wenn sie schon ihre Freizeit mit Freiwilligenarbeit füllen, dies dann auch in einem Team tun, in dem es menschelt und alle irgendwie zusammen passen.

Alles also gar nicht so einfach mit der Anwerbung neuer Team-Mitglieder. Die Gefahr ist dementsprechend groß, dass gerade kleine Teams sich komplett auflösen, wenn sich eine Person herauszieht. Nicht zu unterschätzen ist auch die Situation, wenn sich die Überbrückungszeit zu lang zieht. Auch wenn sich vorgenommen wird: “Ich arbeite nur auf Zeit allein”, können die Menschen hinter den Servern Monate lang über ihr Limit gehen und dann müssen die Server letztendlich doch schließen.

Übergabe der Aufgaben

In der Vergangenheit gab es vor allem einige prominentere Beispiele an Mastodon-Servern, die mit Ankündigung ihrer Schließung von Dritten übernommen wurden. Neben engagierten Einzelpersonen gibt es auch Vereine, die hier nach Möglichkeit einspringen.

Zwar bleiben in diesen Fällen die Server formell bestehen und es verändert sich auf den ersten Blick für die Nutzenden nicht viel, aber mit einem Team-Wechsel kann sich vor allem der Ton auf einem Server ändern. Entweder durch die Anpassung von Server-Regeln, andere Kommunikation bei Änderungen oder schlicht andere Moderationsentscheidungen.

In den letzten Jahren konnte ich beobachten, wie sich teilweise für die Übernahme bestehender Server neue Teams gründeten, aber häufiger habe ich gesehen, wie bestehende Gruppen die verwaisten Server übernommen haben. Beides hat natürlich seine Legitimation. Aber trotzdem sollten wir im Hinterkopf behalten, dass mit jedem kleineren Server, den ein größeres Team, das bereits mehrere Server betreibt, übernimmt, ein klein wenig Dezentralität verloren geht.

Unterstützung des Umzugs

Natürlich kann es auch vorkommen, dass Server schließen. Hier ist eine klare Kommunikation wichtig. Viele Dienste haben die Möglichkeit, dass Accounts von einem Server auf einen anderen umziehen können. Damit die Nutzenden jedoch genug Zeit dazu haben, sich zu entscheiden, ob sie ihren Account umziehen wollen, wenn ja, wo sie hinziehen wollen oder ob sie die Schließung als Neuanfang nutzen wollen, muss die Schließung rechtzeitig angekündigt werden. Hier hat sich die “3-Monate-Regel” bewährt. Hinter dieser ist der Grundsatz zu verstehen, dass die Betreiber*innen eines Servers drei Monate im Voraus alle Nutzenden darüber informieren müssen, dass er schließen wird.

Auch wenn für viele die Schließung erst einmal wie ein Worst-Case-Szenario klingt, ist es das, vor allem bei den Diensten, die relativ einfache Umzugsmöglichkeiten bieten, keineswegs. Der Vorteil am Fediverse ist ja gerade, dass es nicht auf einen Server beschränkt ist und im Zweifel auch ein anderer oder neuer Server als Fenster in das Netzwerk genutzt werden kann.

Die Ambivalenz der selbstgebauten Dezentralität

Am Ende laufen all diese Optionen und Überlegungen jedoch auf eine Konklusion hinaus: Wenn wir selbstgemachte Netzwerke und Infrastruktur haben wollen, dann ist es ganz normal, dass Menschen eben auch mal nicht mehr mitmachen wollen und einzelne Projekte und Server sich verändern oder enden.

Das Fediverse ist eben kein zentral gelenktes Ding, geplant und finanziert von einer Firma. Sondern ein dezentral organisiertes Konglomerat vieler verschiedener Ideen und Menschen. Dinge können sich an der einen Seite des Netzes verändern oder wegfallen und der Rest läuft eben einfach immer noch weiter. Genau das macht den Charme aus: Zwar kann ein einzelner Knoten ausfallen, aber genau das macht das gesamte Netzwerk nicht weniger stabil.

Also keine Panik, wenn sich Menschen aus der Administrations- oder Moderationsarbeit zurückziehen. Das Fediverse überlebt das schon!

Das Ende der Kolumne

Wie bereits eventuell einige von euch in Folge 148 des hauseigenen Podcasts Captain it’s Wednesday “Wohin mit der Meinung?” gehört haben, beende ich meine monatliche Kolumne “Ückück und das Fediverse”.

Über diesen Schritt habe ich schon länger nachgedacht und die Entscheidung fiel mir nicht leicht. Es gibt so viele Themen rund um das Fediverse, über die es sich zu schreiben lohnen würde und mir wären mit Sicherheit noch einige Beobachtungen eingefallen, die ich hätte mit euch teilen wollen.

Allerdings haben sich die destruktiven Kommentare, die ich für die Kolumnenbeiträge erhalten habe, so sehr gehäuft, dass ich das Projekt nun aufgebe. Nicht nur in den Blog-Kommentaren und öffentlich im Fediverse, vor allem privat, habe ich Nachrichten bekommen, die mich auch persönlich angegriffen haben. Für eine unbezahlte monatliche Technik-Kolumne auf einem Community-Blog. Sei es, weil Menschen einfach das Fediverse als Konzept ablehnen, mir persönlich die exponierte Stellung der Kolumnistin nicht gegönnt haben, eigenen Problemen, schlichter Misogynie oder anderen Gründen: Es gibt keine Rechtfertigung, Menschen im Internet so anzugehen. Doch durch die Kolumne konnte ich mir im Kalender anstreichen, wann ich mich auf seitenlange verletzende Nachrichten einstellen konnte. Was für mich auf Dauer eine psychische Belastung dargestellt hat, die ich so nicht mehr hinnehmen will.

Dabei beziehe ich mich nicht auf konstruktive Kritik oder Denkanstöße, diese haben mich gefreut, sondern auf Beleidigungen und persönliche Angriffe. Ich bin einiges durch meine Arbeit in der Kommunalpolitik gewohnt, aber nicht jeder Kampf ist es auch wert, gekämpft zu werden.

Mir ist bewusst, dass die aktuelle Autor*innenschaft hier bei GNU/Linux.ch vor allem männlich geprägt ist und generell immer noch wenige FLINTA*-Personen in der Technik-Kommunikation Gehör finden und ich deshalb durch meine eigene Sichtbarkeit eine gewisse Verantwortung trage. Diese Tatsache hat mich am längsten zögern lassen, die Kolumne niederzulegen.

Allerdings war die Kolumne für mich immer nur eine von vielen Bühnen, die ich für meine Themen nutze. Mit dem Ende der Kolumne geht nicht verloren, dass ich über das Fediverse spreche. Ich werde immer noch gelegentlich bei GNU/Linux.ch Artikel schreiben, wie gewohnt Vorträge und Workshops halten, selbst als Serverbetreiberin tätig sein, meine Podcasts machen, lokal beim CCC und den Datenpunks aktiv sein und natürlich bleibe auch parteipolitisch tätig. Wenn ihr wollt, könnt ihr also noch weiterhin von mir hören und ich bin nicht aus der Öffentlichkeit verschwunden.

Zum Abschluss möchte ich mich noch einmal bei der Redaktion bedanken. Ich habe mich damals sehr gefreut, als vor knapp anderthalb Jahren die Anfrage von euch kam, ob ich eine monatliche Kolumne hier im Community-Blog veröffentlichen möchte. Ihr wart als Redaktion immer hilfsbereit und nachsichtig, wenn ich wieder einmal etwas bei der Veröffentlichung falsch eingestellt hatte und hattet stets ein offenes Ohr für meine Vorschläge und Idee. Auch eure Reaktionen auf meine Entscheidung, die Kolumne zu beenden, waren sehr unterstützend und ich freue mich, dass ich ganz selbstverständlich weiter im Team bleiben kann. Danke euch.

Mit Sicherheit wäre die Kolumne nicht für die Ewigkeit gewesen. Aber mit konstruktiverem Gegenwind wäre sie zumindest noch etwas länger gegangen.

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Dieser Beitrag ist der 17. und vorerst letzte Artikel meiner Kolumne hier bei GNU/Linux.ch.Weiterführende Links:
https://joinmastodon.org/de/servers
https://joinpeertube.org/de
https://gnulinux.ch/ciw148-podcast

https://ückück.com/vortraege
https://podcasts.homes/@rebootpolitics
https://c3d2.de/
https://ückück.com/datenpunks
https://ückück.com/piraten/piratiger_alltag
https://gnulinux.ch/wzs-ueckueck-und-das-fediverse

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